Verbindung aufrechterhalten
Adelbert Graf von der Recke war von 2009 bis 2012 Mitglied im Kuratorium der Graf Recke Stiftung. Damit war der Nachfahre des Stiftungsgründers auch einer seiner Nachfolger in dieser Position. Denn nachdem Graf von der Recke sein Werk 1847 in andere Hände gegeben hatte, war ein Kuratorium als Aufsichtsorgan eingerichtet worden – mit der Auflage, dass immer ein Mitglied der Familie von der Recke darin seinen Platz findet. Gleich zu Beginn nahm diesen der Stiftungsgründer selbst für einige Jahre ein. Im Interview mit Roelf Bleeker spricht Adelbert Graf von der Recke über seinen Vornamen, das Wirken des Grafen und der Gräfin Mathilde, sowie darüber, was Stiftung und gräfliche Familie bis heute verbindet.
Bleeker Die Schreibweise des Vornamens unseres Stiftungsgründers ist häufig uneinheitlich: Adelbert – so wie auch Ihr Name lautet – oder gar Adalbert von der Recke-Volmerstein habe ich schon gelesen. Eine 2015 erschienene Familiengeschichte stellt klar: Er hieß Adelberdt. Woher kommt diese Vielfalt an Schreibweisen?
Graf von der Recke Während der ersten 20 Jahre und vermutlich auch in seiner Geburtsurkunde wurde er sogar ganz anders, nämlich Albert, genannt. Erst nach seinem 20. Lebensjahr taucht der Name Adelberdt auf. Ich habe häufig darauf hingewiesen, dass sein Name mit dt am Ende geschrieben wird, also anders als bei mir. Adalbert ist immer falsch gewesen, obwohl der Name wohl im deutschen Sprachgebrauch die häufigere Version ist.
Und woher leitet sich Ihr Name ab?
Der Name wurde von meinen Eltern in Anlehnung an den Vorfahren Adelberdt gewählt. Ich bin ja selbst Kraschnitzer und habe dort, wo Graf Adelberdt nach seinem Wirken in Düsselthal noch einmal neu angefangen hat, bis zum Alter von fünf Jahren gelebt.
Unser Gründer gilt als der bekannteste Vertreter Ihrer Familie. Sein von der Erweckungsbewegung getriebenes soziales Tun gilt als vorbildlich in der Rettungshausbewegung und hat einen Meilenstein in der Entwicklung der späteren Diakonie gesetzt. Sein Handeln hatte aber durchaus auch Schattenseiten, so galt seine Pädagogik schon damals als eine recht harte. Wie sehen ihn seine Nachkommen heute?
Vorweg zum Begriff "bekanntester Vertreter der Familie": Wir erinnern uns auch an Elisa von der Recke, einer baltischen Schriftstellerin, die in der Goethezeit lebte und durch ihre Reise- und Erlebnisberichte, Tagebücher, Briefsammlungen und Dichtungen (auch vielen Kirchenliedern) sehr bekannt geblieben ist. Zu seiner Pädagogik: Ganz bestimmt wurde damals viel mit körperlichen Strafen erzogen, die Adelberdt oder seine Helfer eingesetzt haben. Ich kann das schwer beurteilen, ob dies über das damals übliche Maß hinausging. Sicherlich war es auch für ihn schwer, unter so vielen Kindern allein für Ordnung zu sorgen. In einem Brief an Mathilde spricht er, noch vor seiner Heirat im Jahre 1826, von 375 Personen, die auf sie warten und die Mathilde „regieren, leiten und führen“ soll. Im Leben Adelberdts fällt seine enorme Vielseitigkeit auf. Auf der einen Seite gibt es nur ein grenzenloses Staunen, wie jemand den Mut haben kann, nur mit ganz bescheidenen Mitteln ein diakonisches Werk für Hunderte von Jugendlichen aufbauen zu wollen. Und nach den unendlichen Mühen und körperlichen Schwächen im Alter von 69 Jahren das Ganze in Kraschnitz, wieder fast ohne Geld, erneut angeht. Neben den beiden großen diakonischen Werken Düsselthal und Kraschnitz gab es dazu noch ungezählte soziale und missionarische Engagements, denen er sich widmete und deren Anliegen er förderte. Er war mit Eingaben an den preußischen König in den Jahren 1830-er Jahren der erste, der die Wiedereinrichtung eines geistlichen Diakonissenamtes forderte, der die Gefängnisseelsorge anstieß, Trinkerheilanstalten unterstützte, mit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Obdachlose sorgte, sich die Betreuung von Behinderten und Waisen zur Aufgabe machte; er half, die kirchliche Posaunenarbeit in Ostwestfalen aufzubauen, mit Schriften- und Bibelmissionen Tausende von Bibeln der ärmeren Bevölkerung zu Verfügung zu stellen und war noch Mitglied im ersten Vorstand des Gustav-Adolf-Werkes. Kritischer sehen wir jedoch heute seine Anstrengungen in der Judenmission und im Versuch, katholische Kinder in Düsselthal zum Übertritt zum evangelischen Glauben zu drängen.
In der Geschichte der Graf Recke Stiftung halten wir den Einfluss der Ehefrau des Stiftungsgründers, Mathilde, für sehr wesentlich. Sie soll die Pädagogik Ihres Mannes gemildert, die Finanzen in Ordnung gehalten und ihn letztlich davon überzeugt haben, sein Werk in andere Hände zu geben und damit dessen Fortbestand zu sichern. Welches Bild haben Sie von Ihrer Vorfahrin?
Es gibt glücklicherweise bereits einige Veröffentlichungen, zum Beispiel von ihrer Tochter Maria und von Gerlinde Viertel, die das Leben Mathildes und ihren bedeutenden Anteil an der Entwicklung der Düsselthaler Anstalten darstellen. Fast 20 Jahre lang war sie für die Hauswirtschaft, die Mädchenschule, damit für Erziehung und Bildung der Mädchen, das weibliche Personal, die Ernährung, die medizinische Versorgung, man kann sagen für den „Geist Düsselthals“ verantwortlich. Während der Reisen ihres Mannes und seiner zunehmenden gesundheitlichen Schwäche in den letzten fünf Düsselthaler Jahren kamen noch Buchhaltung, Finanzen, Korrespondenz und Spendeneinwerbung als zusätzliche Aufgaben hinzu. In dieser Zeit hat sie wohl fast allein die Verantwortung für Düsselthal getragen und sie drängte darauf, die Anstalt an jüngere und neue Helfer abzugeben. Dass Düsselthal erhalten blieb und so wachsen konnte, dürfen wir weitgehend ihrem unermüdlichen Einsatz zuschreiben. Dieser Beitrag Mathildes ist in unserer Familie inzwischen weitgehend anerkannt. In Düsseldorf erinnert eine Straße an sie, leider bisher noch ohne Erwähnung biografischer Daten.
Sie selbst standen als Mitglied des Kuratoriums der Graf Recke Stiftung von 2009 bis 2012 am Platz Ihres bekannten Vorfahrens. Seit 1847 ist satzungsgemäß immer ein Graf von der Recke Kuratoriumsmitglied gewesen. Was hat es Ihnen bedeutet, zwischen 2009 und 2012 diese Aufgabe übernommen zu haben?
Ich finde es gut, dass diese Vertretung unserer Familie damals in die Satzung aufgenommen worden ist, um die Verbindung zwischen Stiftung und Familie aufrechtzuerhalten. Wir haben ja 2010, als ich Vorsitzender des Familienvereins war, einen Familientag am Standort der Stiftung abgehalten, waren in Wittlaer, die Jüngeren auch im Hochseilgarten, von wo sie nachher begeistert berichteten, in der Kirche, erlebten die Kinder in ihrem begeisternden Theaterstück, bekamen in einem ausführlichen Vortrag des Vorstandes einen guten Einblick in die Arbeit der Stiftung und besuchten auch den Standort in Grafenberg. Das war ein sehr gelungenes Familientreffen und vermittelte auch der heutigen Recke-Generation ein Bild vom Werk ihres Vorfahren. Meine Mitgliedschaft im Kuratorium trug ebenso dazu bei. Und so gibt es stets ein Mitglied, dass der Familie über die Entwicklung der Stiftung berichten kann.