»Hoffentlich ohne Elfmeterschießen«: Das Corona-Endspiel läuft
Ein WM-Qualifikationsspiel zwischen Brasilien und Argentinien wird nach wenigen Minuten abgebrochen, weil vier argentinische Fußballer mit Verträgen in England vom Spielfeld in Quarantäne geschickt werden. Ereignisse wie dieses am Ende der vergangenen Woche zeigen eindrücklich, wie sehr das Coronavirus die Welt weiterhin im Griff hat. Die vielerorts beschworene neue Normalität stößt immer wieder an ihre Grenzen und in der Graf Recke Stiftung ist auch weiterhin große Vorsicht das Gebot der Stunde. Denn viele insbesondere junge Menschen sind noch nicht geimpft, und gerade in Schulen und Kitas gibt es immer wieder Ausbrüche des Virus. Warum er die Graf Recke Stiftung dennoch gut aufgestellt sieht und wer im Endspiel der Pandemie vorne liegt, darüber spricht Pandemiekoordinator Marek Leczycki im Interview mit Roelf Bleeker.
Lieber Herr Leczycki, seit eineinhalb Jahren beschäftigt uns das Coronavirus sehr intensiv und Sie besonders, denn Sie sind genauso lange Pandemiekoordinator der Graf Recke Stiftung. Wie bewerten Sie die Lage in der Stiftung aktuell?
Leczycki Die Erstimpfungen vom Anfang des Jahres waren ein Erfolg. Mit über 90 Prozent Impfquote bei den Bewohnerinnen und Bewohnern in Einrichtungen der Altenpflege und der Eingliederungshilfe haben wir hier eine Herdenimmunität in einem geschlossenen System, wobei die Geimpften die Ungeimpften ebenfalls schützen, weil sich das Virus nicht so wie bisher ausbreiten kann. Deshalb sind jetzt die "Boosterimpfungen« so wichtig, die seit Anfang September in den Einrichtungen der Graf Recke Stiftung stattfinden.
Die Auffrischungsimpfungen gegen das Coronavirus sind in der Graf Recke Stiftung angelaufen. Gemäß einem aktuellen Erlass des NRW-Gesundheitsministeriums sind zunächst wieder die "vulnerablen Gruppen" an der Reihe, die bereits bei den Erstimpfungen Vorrang hatten.
Wo steht die Stiftung also aktuell in der Pandemie?
Die Stiftung steht da, wo die Gesellschaft als Ganzes steht: Die Pandemie ist auf dem Weg dahin, »endemisch« zu werden: Das Virus wird uns weiterhin begleiten, es ist global: Alle können davon betroffen sein. Aber es werden nur noch spezifische Gruppen auf gefährliche Weise davon betroffen sein, und zwar die nicht Geimpften. Wir sehen auch in unseren Einrichtungen und Angeboten: Die Risikogruppen haben schon jetzt eine niedrige Inzidenz, bei den über 90-Jährigen liegt sie, Stand Anfang September, unter Zehn! Da haben wir jetzt ruhiges Fahrwasser, weil diese Gruppe bei uns weitgehend durchgeimpft ist. Dafür hat sich das Virus in Kitas und Schulen verlagert, also dahin, wo wir noch nicht geimpft haben oder die Impfungen bei den unter 18-Jährigen nicht so weit fortgeschritten sind wie bei den Erwachsenen. Es gilt also für die Graf Recke Stiftung wie auch das allgemeine Geschehen: Wir haben aktuell eine Coronawelle der Nichtgeimpften.
Marek Leczycki
ist Pandemiekoordinator der Graf Recke Stiftung.
Auch in der Graf Recke Stiftung hat sich das Infektionsgeschehen deutlich in den Bereich jüngerer Menschen verschoben. Die aktuellen Zahlen gibt es auf der Corona-Infoseite der Stiftung.
Was bedeutet das für die aktuellen Coronaregeln in der Stiftung?
Getreu unserem Motto »Schütze Deinen Nächsten wie Dich selbst« gelten in der Graf Recke Stiftung weiterhin die bekannten Abstands- und Maskenregeln, auch für Geimpfte. Diese Maßnahmen sind weiterhin sehr wichtig, wir schützen damit auch die Nichtgeimpften, insbesondere Kinder und Jugendliche!
Es gibt immer wieder Meldungen von Impfdurchbrüchen. Wie ist es damit in der Graf Recke Stiftung?
Impfdurchbrüche sind mir in unseren Einrichtungen nicht bekannt, aber ich bin hier ohnehin vorsichtig: Die aktuelle Studienlage dazu ist sehr dürftig, denn die geimpften Menschen werden in der Regel nicht getestet. Studien sagen aktuell: Wahrscheinlich gibt es eine Welle unter den Geimpften, die sie aber nicht merken, da die Viruslast nur auf den Schleimhäuten auftritt, sich aber nicht auf die Organe setzt – der Hightech-Immunschutz bekämpft das Virus dort erfolgreich.
Was bedeutet das für den Kampf gegen das Virus – in der Stiftung und global?
Experten sprechen jetzt von einem Endspiel. Viele Mediziner prognostizieren fürs Frühjahr das, was die Briten schon ausgerufen hatten: den Freedom day.
Woran werden wir merken, dass der »Freedom day« erreicht ist?
Das macht man fest an den Entwicklungen in den Krankenhäusern. Wenn hier eine dauerhafte Entspannung durch die Impfungen erreicht wurde, wird das SARS-CoV-2-Virus zu einem Erkältungsvirus zurückgestuft werden. Es ist dann endemisch und nicht mehr so gefährlich. Denn der Körper des Menschen, der mit dem Virus in Kontakt kommt, hat jetzt eine Antwort. Genesene und Geimpfte haben Antikörper gebildet. Es ist zu hoffen, dass die nächsten Mutationen nicht mehr so gefährlich werden wie die aktuelle Deltavariante. Ich hoffe, dass mit ihr das Virus seinen Zenit sogar schon erreicht hat. SARS-CoV-2 wird sich dann einreihen in die Reihe der anderen vier Corona-Erkältungsviren.
Sie haben gesagt, Experten sprächen von einem Endspiel, in dem wir uns gegen das Coronavirus befinden. Wer liegt denn aktuell in Führung?
Das Virus jedenfalls nicht! Die Impfung ist der Schlüssel zum Pokal: Je mehr Menschen geimpft werden, desto schneller haben wir gewonnen. Vielleicht sogar ohne Nachspielzeit und hoffentlich ohne Elfmeterschießen.