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In der Großküche der Graf Recke Stiftung an der Grafenberger Allee wird vornehmlich gekocht. Für die Qualität der Speisen sind zwei Küchenchefs verantwortlich – aber nicht nur. Denn es ist auch ein Ort, an dem Klientinnen und Klienten mit psychischen Beeinträchtigungen ihre Arbeitstherapie absolvieren, teilweise über viele Jahre. Für Michael Voll etwa ist es eine erfüllende Arbeit, »weil es etwas Sinnvolles für die Gesellschaft ist«. Denn Erfolg wird hier nicht an Sternen gemessen.

Thomas Samstag kann sich an sein erstes Arbeitsleben noch gut erinnern: »Draußen herrscht oft ein rauer Ton«, sagt er. »Es herrscht aber auch ein enormer Druck.« Draußen, das ist die Welt der Gastronomie und der Großküchen in Konzernen, wo der 51-Jährige seine Karriere als Konditor und Koch einst begonnen hat. Jetzt arbeitet er völlig anders, nicht weniger anspruchs­voll. Gemeinsam mit einem Kollegen lei­tet er seit inzwischen mehr als 20 Jahren die Großküche der Graf Recke Stiftung an der Grafenberger Allee in Düsseldorf. Hier kommt es ebenfalls auf gutes Essen an, sicherlich, aber genauso auf die Menschen. Aus gutem Grund.

Schon als Thomas Samstag 1999 angefangen hat, sagt er, »gab es den the­rapeutischen Gedanken«. Sprich: Neben den Profis sind in der Großküche auch immer Klienten der Graf Recke Sozial­psychiatrie & Heilpädagogik im Rahmen einer Arbeitstherapie tätig. Derzeit leiten die beiden Küchenchefs elf Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen an, meist nur wenige Stunden am Tag. »Es sind Klienten, die eine Struktur im Tages­ablauf brauchen«, sagt Thomas Sams­tag. Nach seiner Erfahrung seien diese besonders motiviert. »Es ist für mich täg­lich eine Freude, zu sehen, mit welcher Begeisterung unser Team zur Sache geht.«

Und doch gibt es zweifellos Heraus­forderungen. Das mit der Motivation ändere sich nämlich, wenn Menschen in Krisen geraten, berichtet Thomas Samstag. Und das komme immer wieder mal vor. In solchen Fällen erhielten sie aber alle erdenkliche Hilfe der Mitarbeitenden aus den Gruppen, mit denen man ohnehin regelmäßig im Aus­tausch sei. Dass die Küchenchefs zu Beginn ein Seminar über den Umgang mit psy­chisch erkrankten Menschen durchlaufen haben, war die Basis. »Der Rest ist Erfahrung im wirklichen Leben«, schmunzelt der Koch.

Es hat ihm selbst gutgetan

Das Wichtigste sei, das hat der Küchen­chef gelernt, offen und ohne Vorurteile auf die Leute zuzugehen. Das habe auch ihm selbst gutgetan: Er sei unvorein­genommener als früher und habe Res­pekt entwickelt vor unterschiedlichen Lebenswegen. »Und vor den Steinen, die auf diesen Wegen liegen können.«

Michael Voll könnte von solchen Stei­nen zweifellos berichten; möchte er aber nicht. Viel lieber erzählt der 50-Jährige, dass er bereits seit 2001 in der Küche arbeitet, vier Mal in der Woche für jeweils dreiein­halb Stunden. Er spült dann oder schnib­belt Gemüse, was ihm viel Spaß macht. In der Küche werde einander zugearbeitet, das gefalle ihm. Für ihn sei es eine erfüllende Arbeit, sagt er, »weil es etwas Sinnvolles für die Gesellschaft ist und wir auch immer wie­der Lob bekommen.« Michael Voll schaut rüber zu seinem Chef: »Da wir beide schon so lange dabei sind, kann es ja nicht ganz verkehrt sein«, meint er dann und lacht.

Als Jugendlicher wollte Michael Voll schon mal ein Praktikum in einer Küche machen, wurde in der Zwischenzeit aber krank. »Interessiert hat mich der Beruf schon immer«, erzählt er. Er sei zwar nicht der beste Koch, aber backen könne er gut. Zu Hause sei es allerdings etwas anderes als in der Großküche, hier holt er sich gerne Hilfe durch die Profis.

Thomas Samstag unterstützt in diesen Fällen gerne. »Wir benutzen ja Profigeräte, die man oft zu zweit bedienen muss«, erklärt Samstag. Zudem seien er und sein Kollege am Ende für die Qualität der Speisen für die Bewohner, Klienten und Mitarbeitenden der Stiftung verantwortlich. Das war früher genauso, als Thomas Samstag seine Aus­bildung bei Henkel in der Manager-Küche machte und dort sogar die Henkels persön­lich bekochte. Später, in den Küchen eines vornehmen Hotels sowie eines Golfclubs, war es nicht anders. »Aber dort stand das Produkt im Mittelpunkt, hier ist es der Mensch.«

Und so könnte sich Thomas Samstag nicht mehr vorstellen, in der Gastronomie zu arbeiten. »Jedes Wochenende Dienst, dazu fast jeden Abend, daran gehen Freund­schaften und Beziehungen kaputt«, weiß er. Jetzt arbeitet der 51-Jährige in der Regel von 8 bis 16.30 Uhr, nur zu besonderen Anlässen wird diese zuweilen gebrochen, wenn etwa Feierlichkeiten anstehen. In Gourmetführern werden er und sein Kollege auf diese Weise eher nicht auftauchen. Aber Sterne, sagt der Koch, »haben mich noch nie interessiert«.

Sterne haben mich noch nie interessiert.

Thomas Samstag

Erfolg definieren die Küchenchefs hier anders: Sie bieten beispielsweise seit einiger Zeit in Zusammenarbeit mit der Graf Recke Erziehung & Bildung Workshops für junge Leute zum Thema Küche und Hauswirtschaft an. Ein Teilnehmer hat mittlerweile in der Großküche sein Berufspraktikum gemacht. Zudem steht eine Klientin aus der Arbeits­therapie kurz davor, eine Ausbildung als Beiköchin anzufangen. »Ich hoffe, dass wir die letzten behördlichen Hürden zusammen überwinden«, sagt Thomas Samstag. In zwei Fällen sei es bereits gelungen, dass Klienten in ein reguläres Arbeitsverhältnis gewechselt seien. »Das sind die Momente, die mich glück­lich machen.«

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