Ein Preis für den nachhaltigen Alltag
Die Tagesgruppe Delfine wurde mit dem ersten Platz beim »Graf Recke Zukunftspreis für Nachhaltigkeit« ausgezeichnet. Was die Jury besonders beeindruckt hat: Wie selbstverständlich das Thema Umwelt- und Naturschutz im Alltag der Kinder verankert ist – seit Jahren schon. Tanja Co s¸kun und ihr Team lassen das Thema immer wieder durch verschiedene Gruppenaktivitäten einfließen, ob beim Essen oder Basteln. Niels und Luca finden das gut.
Niels mag den Winter, am besten mit ganz viel Schnee. Doch der Zehnjährige befürchtet, dass er von diesen Wintern nicht mehr allzu viele erleben wird. »Wegen dem Klimawandel «, sagt er. »Da sind die Menschen dran schuld.« Und weil er das weiß, findet er es gut, dass er und die anderen Kinder in der Tagesgruppe Delfine in Ratingen ganz viel für die Umwelt tun. Die Jury für den »Graf Recke Zukunftspreis für Nachhaltigkeit « fand das auch – und bedachte die teilstationäre Gruppe für ihr Engagement mit dem Hauptpreis.
Aktuell verbringen neun Mädchen und Jungen bis zwölf Jahre werktäglich vier bis fünf Stunden ihrer Freizeit bei den Delfinen. Sie alle haben aus unterschiedlichen Gründen in irgendeiner Form emotionale oder soziale Defizite – doch zweifellos auch individuelle Vorlieben und Kompetenzen. Tanja Coşkun und ihr Team versuchen daher, diese zu entdecken und zu entwickeln. Dazu gehören etwa sportliche und musische Talente. »Stärken stärken« nennt die Diplom-Pädagogin den Ansatz.
Ein wichtiger Aspekt sei jedoch stets das, was man unter »ökologischer Alltagsgestaltung « verstehen kann, erklärt Tanja Coşkun, die seit gut zwei Jahren die Tagesgruppe leitet. »Und das passiert hier bereits seit Jahren, nicht erst seitdem das Thema durch den Klimawandel neu in den Fokus geraten ist.« Als die Teamleiterin von der Ausschreibung des Nachhaltigkeitspreises durch die Stiftung erfuhr, waren die Bewerbungsunterlagen daher schnell zusammengestellt: Sie habe schlicht das beschrieben, was in der Gruppe jeden Tag gelebt werde. Es ist einiges.
Trinkwasser kommt in der Gruppe beispielsweise grundsätzlich aus der Leitung, auf Wunsch auch aufgesprudelt. »Bei uns gibt es keine Plastikflaschen und keine Plastikbecher «, macht Luca klar. Wie er das findet? Der Neunjährige hebt kurz den Daumen, bevor er davon berichtet, dass in jedem Raum Pflanzen stehen. »Die generieren Luft, das ist gut für die Menschen«, hat er gelesen. Wo, daran erinnert er sich nicht mehr.
Nicht ganz so lecker: der Müll
Das ist nicht überraschend: Das Thema Umwelt- und Naturschutz begleitet die Kinder aus der Delfingruppe von früh bis spät. Die Mahlzeiten etwa werden von einer Hauswirtschaftskraft täglich frisch zubereitet, eingekauft wird möglichst saisonal und regional. Ihren letzten gemeinsamen Urlaub haben sie auf einem Bauernhof in der Region verbracht. Und es geht noch näher: »Auf unserem Balkon züchten wir Tomaten, Gurken und Kräuter«, berichtet Luca. »Und im Garten wachsen Apfelbeeren«, ergänzt Niels. »Daraus machen wir Marmelade.
Dies sei eine der Gruppenaktivitäten der Delfine mit nachhaltigem Hintergrund, erläutert Tanja Coşkun. Eine weitere ist nicht ganz so lecker: Wenn alle, ausgestattet mit großen Zangen und Eimern, losziehen und rund ums Haus den Müll aufsammeln. Durchaus auch den von Fremden. »Ich finde das doof, dass Leute einfach ihre Sachen wegschmeißen«, beklagt sich Niels, als Luca fürs Foto gerade eine leere Zigarettenschachtel mit der Zange greift. »Das ist wirklich eklig.« Aber immerhin lässt sich aus manchem Müll im Zweifel etwas basteln.
Ich finde das doof, dass Leute einfach ihre Sachen wegschmeißen.
Der Spiegel im Flur der Tagesgruppe etwa wurde durch bunte Glasscherben drum herum zum bezaubernden Mosaik. Aus alten Flaschen lassen sich mit Gips, Federn und Wackelaugen dagegen lustige Figuren basteln, die die Jungs nicht ohne Stolz im Werkraum vorzeigen. »Unsere Schaltzentrale«, nennt Teamleiterin Coşkun das Zimmer am Ende des Flurs, wo unter Anleitung der Erwachsenen allerlei Dinge entstehen.
Der Brenn-Peter leistet gute Dienste
Die Schilder an den Spinden der Kinder zum Beispiel, wo auf Holzbrettchen deren Namen verewigt wurden – mit dem »Brenn-Peter«. So haben die Delfine den Brennstab liebevoll getauft. Er hat schon etliche Male gute Dienste geleistet.
Ganz ohne Brenn-Peter sind im vergangenen Jahr die Weihnachtsgeschenke für die Eltern entstanden, mystische Fantasiefiguren, ein Traumfänger oder ein Mobile aus Holz etwa. Allerdings auch dies, ohne unnötig Ressourcen zu verbrauchen: »Das Holz dafür haben wir im Wald gesammelt«, erzählt Tanja Coşkun. Auch das ist kein Zufall: Statt mit dem Bully der Gruppe einen Ausflug zu machen, entscheiden sich die Delfine immer häufiger, die direkte Umgebung zu Fuß zu erkunden. Das sei für die Kids genauso spannend, so ihre Erfahrung.
Dass dieses ökologische Bewusstsein nun zum Gewinn des Zukunftspreises der Graf Recke Stiftung geführt hat, freut alle Delfine, kleine wie große. »Das kam schon überraschend. Im Prinzip wurden wir für unseren Alltag ausgezeichnet«, sagt Tanja Coşkun mit einem Lachen. Ein Preisgeld in Höhe von 500 Euro gab es für den ersten Platz obendrein. Dafür will sich die Tagesgruppe tatsächlich mal einen Ausflug gönnen, sobald das wieder möglich ist. Eine lange Anreise kommt für die Preisträger allerdings nicht infrage: Sie denken an eine Rheinfahrt.