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Das Gezeiten-Café empfängt seit 2011 seine Gäste am Friedhof in Neumünster, beileibe nicht nur Trauernde. Künftig soll das etwas andere Kaffeehaus auch für die Bewohner des neuen Graf Recke Quartiers ein Ort der kulturellen Begegnung sein. Karin Jahnke und ihr Team freuen sich über die Angebotserweiterung nach Übernahme durch die Graf Recke Stiftung. Ihr Ziel seit jeher: Mit würdevoller Selbstverständlichkeit Hemmschwellen abbauen. Mit Lesungen, Ausstellungen – und selbstgebackenem Kuchen.

Als im November 2011 das Gezeiten-Café am Neumünster Friedhof eröffnete, war dies für die Region ein Novum – und ist es bis heute geblieben. Doch ein Friedhof sei eben „auch ein Ort der Lebensdeutung und des Gespräches über das, was uns alle unmittelbar angeht“, wie Probst Stefan Block zur Einweihung sagte. Das Café empfand er als „wunderbar integriert in die Gartenlandschaft, von architektonischer Harmonie und doch Schlichtheit“. Künftig soll dieses noch stärker zu einem Ort der Begegnung werden. Nicht nur beim Abschiednehmen.

„Trauern, lachen, krümeln“, so steht es über dem hauseigenen Info-Flyer und gibt einen ersten Hinweis darauf, wie man im Gezeiten-Café dem Thema Tod begegnen möchte – mit würdevoller Selbstverständlichkeit. Ein ehemaliger Friedhofsleiter habe die Idee aus Ahrensberg mitgebracht, erzählt Karin Jahnke. Der Kirchengemeindeverband und die Kirchlichen Friedhöfe Neumünster hätten diese dann vor gut zehn Jahren umgesetzt. „Man wollte den Friedhof insgesamt zugänglicher machen. Da passt ein Café als Entree“, findet Karin Jahnke. Und sie muss es wissen, ist sie doch von Beginn an Leiterin des etwas anderen Kaffeehauses, seit Jahresbeginn allerdings für einen neuen Betreiber.

Zunächst ging es laut Jahnke lediglich um eine mögliche Zusammenarbeit mit dem Graf Recke Quartier Neumünster, das derzeit in der Nachbarschaft entsteht. Doch dann sei der Kirchenkreis mit der Idee einer Übernahme an ihn herangetreten, berichtet Jürgen Büstrin, Geschäftsführer des Haus Reckeblick und der Graf Recke Quartier Neumünster gGmbH. „Und wir waren sofort Feuer und Flamme“. Künftig soll das Café zusätzlich als Treffpunkt für all jene Menschen dienen, die im Quartier ein Zuhause finden oder bereits gefunden haben. Es geht vornehmlich um ältere Menschen, aber auch um jüngere Bewohner mit Behinderung. Gemeinsam mit dem angestammten Café-Team wolle man neue Nutzungsmöglichkeiten ausloten, „eine kulturelle Begegnungsstätte schaffen“, so Büstrin.

Konzept gemeinsam weiterentwickeln

Karin Jahnke hört das gerne. Bereits jetzt begrüße man nicht nur Trauergesellschaften oder Friedhofsbesucher im Gezeiten-Café, auch Fahrrad-Ausflügler machten hier gerne eine Pause. „Andere“, erzählt die Café-Chefin, „kommen gezielt wegen des schönen Ambientes oder unserem selbstgebackenen Kuchen“. Den Großteil davon fertigt sie derzeit sogar selbst. Sie seien im Moment nur zu dritt, erklärt sie. Und das bei sechs Öffnungstagen, nur mittwochs ist geschlossen. „Wir müssen dringend aufstocken.“

Keine Frage, gerade jetzt im Sommer lockt zusätzlich die Terrasse mit Blick in den schönen Garten mit Kunstwerken aus Treibholz, was auch den Namen des Hauses erklärt. Vornehmlich im Winter finden im Café zudem Lesungen und Ausstellungen statt. Dieses Gesamtkonzept wolle man beibehalten und gemeinsam mit den Quartiersbewohnern weiterentwickeln, freut sich Karin Jahnke. All das werden sie „die nächsten Jahre gerne begleiten“.

Das kommt nicht von Ungefähr: Die hauswirtschaftliche Betriebsleiterin, zuvor unter anderem in der Jugendarbeit und  für den „Internationalen Bund“ im Catering tätig, wollte „schon immer ein Café haben, Gastgeberin sein“, wie sie verrät. Als sie vor gut zehn Jahren dann die Stellenanzeige fürs neue Gezeiten-Café in der Zeitung entdeckte, sah sie ihre Chance gekommen. Im Prinzip habe man ihr bei der Ausrichtung freie Hand gelassen, und der Erfolg gibt ihr Recht: „Wir haben viele Stammgäste und offenbar vieles richtig gemacht“, meint sie und lächelt.

Insbesondere der Umgang mit Trauergesellschaften ist laut Karin Jahnke anspruchsvoll. Das erfordere „ein gewisses Fingerspitzengefühl“, wie sie sagt. Außerdem müsse man extrem flexibel sein. Aus 30 angemeldeten Gästen würden gerne auch mal 50 oder 60. „Das mussten wir ganz schnell lernen“. Eine Herausforderung ist das vor allem für die Küche, in der alles frisch zubereitet wird. Zugleich müsse es bezahlbar bleiben, auch bei kleiner Rente. „Wir müssen dennoch betriebswirtschaftlich denken, da kommen wir ja nicht drum herum.“

Und doch könnte sich die Gezeiten-Café-Leiterin kaum Schöneres vorstellen. Sie macht auf den Friedhof als historischen Ort aufmerksam, der unter prächtigen Bäumen mit seinen Mausoleen von Unternehmerfamilien Neumünster als Leder- und Textilstadt widerspiegle. Hinzu kämen die schön angelegten Themengärten, die der veränderten Begräbniskultur hin zur Urnenbestattung Rechnung trügen. Karin Jahnke sieht sich ein klein wenig auch als Botschafterin in einer Gesellschaft, in der der Tod immer mehr ausgeklammert werde. „Wir wollen mit unserem Café Hemmschwellen abbauen“, sagt sie. Und dem Thema, im wahrsten Sinne, einen Raum geben.

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Das Graf Recke Quartier Neumünster setzt Maßstäbe über Schleswig-Holstein hinaus. Es bietet nicht nur Seniorinnen und Senioren mit unterschiedlichem Unterstützungsbedarf ein dauerhaftes Zuhause, sondern hier finden auch Kinder Betreuung und junge Menschen mit Unterstützungsbedarf ein neues Zuhause. Durch die Einbindung von unterschiedlichen und bedarfsgerechten Angeboten für alle Generationen entsteht echte Gemeinschaft und ein Lebenskonzept der gegenseitigen Hilfe. Informationen und Fakten rund ums Graf Recke Quartier Neumünster gibt es auf einer eigenen Seite.

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