Ein Ja nach 50 Jahren

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„Hochzeit im Königshof“ – was klingt wie eine Rosamunde Pilcher-Verfilmung fürs ZDF, wird im Seniorenzentrum der Graf Recke Stiftung in Düsseldorf bald Realität. Brigitte Jaekel und Uwe Schröter geben sich 50 Jahre nach ihrer Verlobung tatsächlich das Ja-Wort. Es kommt für das Paar, das seit gut einem Jahr im Königshof lebt, genau zur richtigen Zeit. Weil jetzt das Umfeld stimmt, und alle mitfeiern.

Ein Leben ohne den jeweils anderen können sich Brigitte Jaekel und Uwe Schröter gar nicht mehr vorstellen. Kein Wunder, die beiden kennen sich mittlerweile seit 52 Jahren, seit 50 Jahren leben sie zusammen. So lange hält im Übrigen auch ihr Eheversprechen, dem sie nie die Trauung folgen ließen. Bis jetzt. Pünktlich zur Goldenen Verlobung quasi werden sich die beiden Ende April tatsächlich das Ja-Wort geben. Und im Seniorenzentrum Zum Königshof der Graf Recke Stiftung in Düsseldorf-Unterrath herrscht freudige Aufregung – nicht nur beim Brautpaar.

Es hat viel mit ihrer jetzigen Lebenssituation zu tun, dass sich Uwe Schröter ein Herz fasste, und seiner Brigitte mal wieder einen Antrag gemacht hat. „Ich habe das schon drei oder vier Mal getan“, erklärt der 72-Jährige mit einem Lächeln, aber das sei lange her. Doch die Fragen seien zuletzt von allen Seiten gekommen, erzählt der Bräutigam in spe. „Zuletzt hatte sogar mein erwachsener Neffe gefragt, wann wir denn endlich heiraten“, berichtet er. Die so Umworbene aber hatte sich in der Vergangenheit jedes Mal geziert.

Weil es hier so schön ist

Brigitte Jaekel war, genau wie ihr Zukünftiger, schon einmal verheiratet, aber nur ganz kurz, das hatte die heute 74-Jährige geprägt. Die Beziehung war für sie danach entscheidend, die Ehe nicht von Bedeutung. Zumindest bis jetzt. „Warum ich dieses Mal Ja gesagt habe? Irgendwann muss man es ja machen“, sagt sie verschmitzt. Doch das ist freilich nur die halbe Wahrheit: Es habe mit dem Umfeld zu tun, „weil es hier so schön ist“, sagt sie dann mit einem Strahlen. Brigitte Jaekel meint damit die Mitbewohnerinnen und Mitbewohner genauso wie das gesamte Team im Königshof. Sie alle werden bei der Feier dabei sein, die Planungen laufen längst.

Kennengelernt hatte sich das Paar 1970 in einer Kneipe in der Düsseldorfer Altstadt, in der Brigitte Jaekel damals nebenberuflich kellnerte; er war an jenem Abend mit Freunden unterwegs. Ob sie eine Wohnung habe, ein Auto und ob sie Rindfleischsuppe kochen könne, habe er sie gefragt, erinnert sich Uwe Schröter. „Das war eigentlich ein Spaß, aber daraus wurde ernst.“ Er grinst. Sie hingegen erinnert sich noch an den fragwürdigen Schnäuzer, den der junge Mann damals trug. „Aber nicht mehr lange“, sagt sie – und grinst ebenfalls.

Es war unter anderem dieser trockene Humor, der die beiden zusammenbrachte – und bis heute verbindet. Wenig später zog Uwe Schröter bereits bei seiner Freundin ein, nicht nur der Rindfleischsuppe wegen, wie er versichert. Die Vermieterin habe allerdings zuvor auf einer Verlobung bestanden. „So war das damals“, meint sie nur. Fast 50 Jahre sollten die beiden dann in der Wohnung in Alt Pempelfort im Düsseldorfer Zentrum leben, nur die Hochzeit war eben nie Thema. Erlebt hat das Paar auch ohne einiges, allein beruflich.

Reisende Büroleiterin

Brigitte Jaekel, geboren und aufgewachsen in Düsseldorf-Unterrath, hatte einst bei Karstadt Verkäuferin gelernt, gab den Beruf aber nach zehn Jahren aus gesundheitlichen Gründen auf. Sie wechselte zur Computerfirma Nixdorf, erzählt sie, habe dort zunächst den Programmierern zugearbeitet. „Ich war das kleinste Licht“, meint sie bescheiden. Doch Brigitte Jaekel ging ihren Weg, leitete bald den Testraum, wurde später für Nixdorf „reisende Büroleiterin“, wie sie es nennt; war mal in Hamburg zur Vertretung, mal in München, berichtet sie. Zum Schluss habe sie dann ihr eigenes Büro in Düsseldorf gehabt. „Ich war immer ehrgeizig“, erklärt sie ihren Werdegang.

Das gilt für Uwe Schröter gleichermaßen, musste er doch immer wieder neu beginnen, berichtet er: Geboren in Hettstedt bei Halle an der Saale, flüchtete er 1957 mit Eltern und Geschwistern in den Westen. Er lebte zunächst in einem Flüchtlingsheim im Sauerland, ging in Iserlohn zur Schule, lebte später in Mohnheim, dann in Düsseldorf. Er habe Armaturendreher gelernt, später als Werkzeugmacher gearbeitet und im Messebau, so Uwe Schröter weiter. Denn immer wieder seien seine Arbeitgeber in Schwierigkeiten geraten, so dass er nach einem Job im Hochregallager schließlich bis zu seiner Frührente im Garten- und Landschaftsbau tätig gewesen sei.

Über all die Jahre waren Brigitte Jaekel und Uwe Schröter ein eingespieltes Team, auch wenn’s mal schwieriger wurde. Ihre Gradlinigkeit habe ihn begeistert, „man weiß bei Brigitte immer, woran man ist“, sagt er. Sie sei zuverlässig und unheimlich hilfsbereit. „Ich konnte immer auf sie zählen“, schwärmt er über seine Partnerin. Diese streichelt ihm über die Schulter. „Das gilt aber auch andersrum“, sagt sie dann und lächelt.

Jäh ausgebremst

Gerade jetzt ist das von Bedeutung: Denn seit einem Treppensturz 2019 ist Uwe Schröter gelähmt, sitzt im Rollstuhl, und kann, bedingt durch eine Spastik, auch seine Arme nicht mehr bewegen. Rund eineinhalb Jahre verbrachte der 72-Jährige in Kliniken und Reha-Einrichtungen, was auch für Brigitte Jaekel kaum zu ertragen war. „Wir waren zuvor ja immer zusammen“, sagt sie. Und so war es für sie eine Selbstverständlichkeit, vor rund einem Jahr gemeinsam mit ihrem Dauerverlobten in den Königshof zu ziehen. „Ich kannte das Haus gut, meine Mutter hat hier schon gewohnt“, erklärt sie die Wahl. Und so lebt das Paar nun in zwei gegenüber liegenden Zimmern, sie unterstützt ihn, wo sie kann.

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Das Seniorenzentrum Zum Königshof in Düsseldorf-Unterrath bietet 80 stationäre Pflegeplätze für Langzeit-, Kurzzeit- und Verhinderungspflege. Im dritten Obergeschoss befinden sich außerdem 15 seniorengerechte Service-Wohnungen. Das zentral gelegene Haus mit Anschluss an Bus-, Straßen- und S-Bahn wurde 2003 eröffnet. Es gehört zum Angebot der Graf Recke Wohnen & Pflege, die im Rheinland sowie in Schleswig-Holstein verschiedene Angebote für Seniorinnen und Senioren und Pflegebedürftige bereithält.

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Für Brigitte Jaekel hat sich somit gar nicht allzu viel geändert. „Mein Hobby war schon immer, anderen zu helfen“, meint sie. Die 74-Jährige hatte einst ihre Mutter gepflegt, später die Tante. Uwe Schröter hingegen musste wieder einmal neu anfangen: Urkunden und ein Trikot an der Wand seines Zimmers erinnern an den begeisterten Radfahrer, der er bis zu seinem Unfall war. Früher hat er sogar erfolgreich an Rennen teilgenommen, auch später nie von seiner Leidenschaft gelassen. „Der war so bekloppt, der ist mit dem Rad nach Venlo gefahren, nur um eine Pommes zu essen. Dann fuhr er wieder zurück“, erzählt sie belustigt und doch mit einer gewissen Bewunderung. Er nickt nur.

Wehmütig der Vergangenheit nachzuhängen liegt den beiden allerdings nicht, sie denken jetzt an die Zukunft. Was sie bei der Hochzeitsfeier alles erwarten wird, wissen sie aber nicht genau. „Wir haben ein paar Überraschungen für die beiden vorbereitet“, verrät Julia Schneider, Leiterin des Sozialtherapeutischen Dienst im Königshof. Sie war es auch, die gemeinsam mit den Heiratswilligen eine Ausnahme bei Standesamt erwirkt hat. Es sei wohl das erste Mal, dass in Düsseldorf eine Trauung in einem Seniorenzentrum vorgenommen wird. „Das ging schnell und unkompliziert“, erzählt sie. Und so freut sich Julia Schneider, „dass die Liebe gewinnt, egal wo sie wohnt“ – und das ganze Haus freut sich mit.

Ted Herold und der Hund mit Ringen

Das ist durchaus wörtlich zu nehmen: Die Ringe wird Kiba, der Hund der Friseurin aus dem Königshof, zum Brautpaar bringen. Wer Blumen streuen wird, steht ebenfalls fest. Auch, dass Toni Scheibenberger die Braut zur Trauung führen wird, wo der Bräutigam sie dann erwartet. Der Stationsleiter aus der zweiten Etage wird später stellvertretend zudem beim Hochzeitstanz einspringen. „Aber kein Walzer“, macht Brigitte Jaekel klar. Sie liebt Rock’n’Roll, etwas von Elvis oder Ted Herold fände sie passend.

Ihrem Zukünftigen soll es Recht sein. Uwe Schröter freut sich vor allem darauf, beim großen Fest im geschmückten Speisesaal seine Schwester wiederzusehen und auf den Moment „wenn mich Brigitte nach der Feier über die Schwelle tragen muss“, sagt er. Die beiden schauen sich an – und lachen laut.

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