Abenteuer mit Digi@Venture
Ein neues Angebot soll junge Menschen mit psychischen Erkrankungen spielerisch dazu motivieren, digital fit zu werden und sie damit insgesamt stärken. Damit dieses innovative Projekt in die Tat umgesetzt werden kann, braucht es aber noch Starthilfe!
Annika Stiglic und Jessica Horn besprechen gerade, mit dem in Coronazeiten gebotenen Abstand, ihr gemeinsames neues Projekt für junge Menschen mit psychischen Erkrankungen in Düsseldorf-Grafenberg. Projektentwicklerin Jessica Horn spricht dabei gern von einem Abenteuer: "Weil es einfach superviel zu entdecken gibt im Umgang mit den neuen Kommunikationsmedien", sagt die Mitarbeiterin der Graf Recke Sozialpsychiatrie & Heilpädagogik und macht klar, worum es geht: Die jungen Bewohnerinnen und Bewohner auf dem Areal sollen ein niedrigschwelliges Angebot erhalten, das ihnen die wichtige digitale Teilhabe zugänglich macht und sie gleichzeitig auch in weiteren Bereichen des Lebens stärkt. So heißt das Projekt dann auch "Digi@Venture" und steht für digitales Abenteuer. Damit das aber erst mal starten kann, werden Spenden- und Fördermittel benötigt.
"Sich messen ist ein menschliches Bedürfnis"
Über den Einsatz etwa von Gamification – Elemente aus Computerspielen werden in spielfremde Bereiche übertragen – werden dann weitere Kompetenzen und Fähigkeiten gefördert, die wiederum positiv auf den schulischen oder beruflichen Bereich wirken können. "Classcraft zum Beispiel hat sich in der Berufsvorbereitung sehr bewährt, wodurch die Motivation um bis zu 50 Prozent gestiegen ist", erklärt Jessica Horn. "Bei vielen Computerspielen geht es darum, Punkte zu sammeln und Erfolg zu haben. Sich messen ist ein menschliches Bedürfnis. Das machen wir uns zunutze."
Die Teilnehmenden erhalten dabei zum Beispiel "Stärkepunkte", wenn sie etwa pünktlich zum Workshop kommen und ihre Aufgaben sorgfältig und gewissenhaft erledigen. "Classcraft" wird in Teams von rund fünf Teilnehmenden gespielt. Das ermutige sie, zusammenzuarbeiten, um das Spiel zu gewinnen, sagt Jessica Horn: "Das sind alles wichtige soziale und persönliche Kompetenzen, die auch im Berufsleben von großer Bedeutung sind. Wenn ein Klient Computerspielen nachgeht und sich dadurch über eine längere Zeit gut konzentrieren kann, dann ist das eine wertvolle Ressource, an der wir ansetzen können."
Die ursprüngliche Idee dazu hatte Grafikerin und Peer-Beraterin Annika Stiglic: "Spielerisch und über die eigenen Interessen wollen wir unsere Klienten erreichen und mit ihnen kleinteilig weitere Themenbereiche erarbeiten, die ihnen helfen." Zunächst werden die Projektteilnehmenden über die Vermittlung von Grundkenntnissen sicherer im Umgang mit digitalen Medien. "Ziel ist es, dass sie einen weiteren Zugang zu ihren Fähigkeiten und Ressourcen erhalten und sich dadurch wieder mehr zutrauen. Wir wollen sie ermutigen und ihnen auch Ängste nehmen." Dazu soll es unter anderem Workshops zum Umgang mit Cybermobbing und zum sicheren Umgang mit Smartphone und Tablet geben.
Einer Bitkom-Studie zufolge kann sich mehr als jeder Dritte in Deutschland ein Leben ohne soziale Medien nicht vorstellen, unter den 14- bis 29-Jährigen sind es sogar knapp 50 Prozent, die nicht ohne WhatsApp, Snapchat & Co können. Auch die Online-Bewerbung um einen Job oder die Einreichung von Online-Formularen bei Behörden setzt sich immer weiter durch. Für junge Menschen mit psychischen Erkrankungen spielen aber Vorbehalte und Ängste eine Rolle, wenn es darum geht, sich digitalen Möglichkeiten zu öffnen und einen sicheren Umgang zu entwickeln. Das Projekt "Digi@Venture" setzt genau dort an.
Andreas Severin* lebt seit acht Jahren in einem Wohnangebot des Sozialpsychiatrischen Verbunds der Graf Recke Stiftung. Das Projekt Digi@Venture findet er interessant. "Das hört sich gut an", sagt der 30-Jährige. "Social Media fände ich spannend. Ich nutze Facebook und schaue immer mal wieder rein, ob von den Leuten, mit denen ich dort befreundet bin, jemand geschrieben hat." Er ist gleichzeitig auch vorsichtig im Umgang mit dem Internet und wünscht sich Unterstützung. "Ich möchte eine eigene Website aufstellen", sagt Andreas Severin. Mit welchem Inhalt, das wisse er noch nicht genau. Er möchte erst mal die Website erstellen und dann sehen, was daraus wird. "Aber mit jemandem, der das mit mir zusammen macht und der das schon mal gemacht hat."
Während für viele Menschen der Besuch eines Kurses in der Volkshochschule eine gute Möglichkeit wäre, sich digital fit zu halten oder neues Wissen anzueignen, kann dies bei Menschen mit psychischen Erkrankungen ganz anders aussehen. "Es gibt da mehr Hürden und Barrieren", erklärt Jessica Horn. "Allein die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln ist für viele Klienten angstbesetzt, zu Stoßzeiten geht das oftmals gar nicht. Auf dem Weg dahin zeigen sich Ambivalenzen: ›Soll ich, soll ich nicht?‹ Dann ist die Neigung, sich dagegen zu entscheiden, größer, wenn es da noch andere Unbekannte gibt." Möglichst barrierearm soll das neue Projekt in Grafenberg daher sein. Allein die Zahl der Teilnehmenden sei viel kleiner, so Jessica Horn, die Wegstrecke falle weg und der Rahmen sei vertraut: "Wir kennen uns alle."
Das Projekt ist auf Spenden angewiesen
Das Projekt Digi@Venture ist ein zusätzliches Angebot der Graf Recke Sozialpsychiatrie & Heilpädagogik, das nicht über die Regelleistungen finanziert ist. Annika Stiglic und Jessica Horn möchten dieses Projekt und ihre Idee später auch noch zu einer Medienwerkstatt weiterentwickeln. Um mit Digi@Venture zunächst den ersten Schritt zu gehen und junge Menschen mit psychischen Erkrankungen niedrigschwellig zu stärken, werden dringend Spenden benötigt. Damit sollen zum Beispiel Computer, Tablets und Laptops angeschafft werden, Monitore und Softwarelizenzen gekauft oder die Projekträume mit Whiteboards und Markern ausgestattet werden.
* Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte wurde der Name durch die Redaktion geändert.
Mit 30 Euro können wir zum Beispiel Marker für die Whiteboards kaufen. 80 Euro helfen uns beim Erwerb von Softwarelizenzen.
200 Euro sind ein wichtiger Zuschuss für den Kauf von Laptops.
Spendenkonto:
Graf Recke Stiftung
KD-Bank eG Dortmund
IBAN DE44 1006 1006 0022 1822 18
BIC GENODED1KDB
Stichwort: Digital stark
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