Das Virus ernst nehmen
Im Frühjahr wurde die ganze Familie Kaya wochenlang durch das Coronavirus niedergestreckt. Özlem Kaya hat damals im Interview für die recke:in von ihren Erfahrungen erzählt. Heute geht es ihr wieder gut, aber ihre Warnung, das Virus auf keinen Fall zu unterschätzen, wiederholt sie eindringlich.
Im April 2020 brach das Coronavirus über die Familie Kaya herein. „Meine Mutter, mein Vater, meine jüngere Schwester, mein jüngerer Bruder und ich, wir alle waren infiziert. Das passierte alles in weniger als einer Woche“, berichtete uns Özlem Kaya damals. Sie selbst habe unter Gliederschmerzen, Kreislaufproblemen und Bauschmerzen gelitten, der Geschmacks- und Geruchssinn sei verlorengegangen und sie sei kaum mehr die Treppe hochgekommen. „Es hat mich komplett aus der Bahn geworfen.“ Noch schlimmer habe es ihre Angehörigen getroffen: Bruder und Mutter seien stationär behandelt worden, letztere sogar zeitweise auf der Intensivstation. Ihr Vater, der auch in der Graf Recke Stiftung arbeitet, sei sechs Wochen lang richtig krank gewesen. Am besten habe es ihre jüngste Schwester verpackt, berichtet uns die Sozialarbeiterin – und ihr Freund, mit dem sie seit Dezember verheiratet ist und deren Namen sie angenommen hat!
Özlem Kaya sagte damals im ersten Gespräch über die Coronainfektionen in ihrer Familie: „Ich hatte Angst, wir könnten sterben." Heute sagt Özlem Arslan: „Toi toi toi – es geht mir gut! Seit drei bis vier Monaten merke ich gar nichts mehr davon.“ Zuvor habe sie dagegen noch lange mit starker Müdigkeit zu kämpfen gehabt. Und kürzlich noch habe ihr Hausarzt bei einer Blutabnahme noch höhere Entzündungswerte gemessen. Auch ihre Eltern und Geschwister hätten sich erholt, berichtet Özlem Arslan, aber ihre Mutter habe seit Corona Probleme mit der Blutgerinnung und müsse deshalb Blutverdünner nehmen.
Kein Grund für Sorglosigkeit
Ihren Satz von damals kann die 36-Jährige auch heute, mit Abstand, nur bestätigen: „Wenn Menschen wüssten, was diese Krankheit mit einem macht und wie man unter den Folgen leidet, wären sie viel vorsichtiger und würden auf vieles verzichten.“ Tatsächlich erlebt sie inzwischen viele Menschen als zu sorglos. „Im ersten Lockdown im Frühjahr haben die Menschen das ernster genommen. Wenn ich damals zur Arbeit nach Düsseldorf gefahren bin, waren kaum Menschen unterwegs.“ Jetzt aber sei viel mehr los, fast wie in normalen Zeiten, beobachtet sie. „Ob das an der Lockerheit vom Sommer liegt oder sich die Leute an Corona gewöhnt haben?", fragt sie sich.
Mit den anstehenden Impfungen im Sozialpsychiatrischen Verbund in Düsseldorf verbindet sich die Hoffnung, dass die Zeiten tatsächlich wieder normal werden. Özlem Arslan arbeitet als Bezugsmitarbeiterin im Gruppendienst und im Betreuten Wohnen an der Grafenberger Allee. Sie spricht mit den Klientinnen und Klienten natürlich auch über das "Hoffnungslicht", wie sie die Impfungen nennt. Die meisten Klienten sähen darin ebenfalls eine Perspektive auf dem Weg zurück ins normale Leben. Natürlich hätten einige auch Vorbehalte, schon allein durch ihre psychische Erkrankung manchmal auch irrationale Ängste. Aber auch sie wollen ja wieder ein Stück Normalität, meint Özlem Arslan.
Alles rund um die Graf Recke Stiftung in der Pandemie lesen Sie auf der Corona-Infoseite.
Sie selbst sagt mit aller Entschiedenheit: „Ich möchte diese Erkrankung nicht nochmal haben!“ Dennoch wird sie sich jetzt noch nicht impfen lassen. Aber nicht, weil sie eine Impfgegnerin wäre, sondern weil bei Tests, zuletzt noch im Januar, Antikörper gegen das Virus in ihrem Blut nachweisbar gewesen seien. Aber in einigen Monaten werde sie einen weiteren Antikörpertest machen lassen und bei einem negativen Ergebnis dann ganz sicher auch impfen lassen, sagt sie.

Eines würde Özlem Arslan gern als positive Erkenntnis aus der Pandemie mitnehmen: „Viele konzentrieren sich in diesen Zeiten auf das Wesentliche, auf die Gesundheit, aber auch auf die Menschen, die ihnen wichtig sind“, meint sie. „Ich fand es sehr schön, zu beobachten, wie Familien füreinander da sind, wie auch Klienten den Kontakt zu Angehörigen aufrechterhalten haben, und wie Menschen, die sonst wenig Zeit dafür gehabt haben, merken, was im Leben wichtig ist. Ich hoffe, dass die Menschen das auch in die Zeit nach Corona mitnehmen.“