Ausgewogen, nachhaltig – und lecker

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In der Wohngruppe Aufwind in Düsseldorf-Wittlaer legt das Team besonderen Wert auf eine gesunde und ressourcenschonende Lebensweise – vom Energiesparen bis zur Müllvermeidung. Der Nachhaltigkeitsgedanke gilt auch fürs Essen: eher Gemüse als Fleisch, Obst aus der Region statt Schokoriegel. Für die 12- bis 13-jährigen Bewohner ist das inzwischen ganz normal, da die Erwachsenen das so vorleben und sie in die Speiseplanerstellung mit eingebunden werden. Am wichtigsten aber: Es schmeckt.

Die Antwort auf die Frage, wie er denn das Essen hier finde, ist ebenso kurz wie präzise: „Lecker“, sagt Jonas* nur – und nimmt sich noch etwas Nachschlag aus der Zucchini-Pfanne. Das wohlwollende Urteil des 13-Jährigen ist nicht selbstverständlich. Denn in der Intensivwohngruppe Aufwind kommt vor allem Gesundes auf den Tisch: viel Gemüse und Obst, wenig Fleisch und wenig Süßes. Dass Jonas das Essen dennoch genauso schmeckt wie seinen Mitbewohnern, hat viel mit Gewöhnung zu tun, mit Vorbildern – und mit Anja Krehl.

Die staatlich geprüfte Hauswirtschafterin bereitet seit acht Jahren in der Regel die Mahlzeiten in der Wohngruppe der Graf Recke Stiftung auf dem Campus in Düsseldorf-Wittlaer zu. Anja Krehl kocht frisch, versteht ihr Handwerk und achtet zudem auf Nachhaltigkeit bei den eingesetzten Produkten. Saisonal, regional, möglichst Bio, das seien die Kriterien, sagt sie, in dieser Reihenfolge. David Maus nickt. „Ich würde das noch um den Aspekt von möglichst wenig Verpackung ergänzen“, meint er, und verweist damit auf den Ansatz, den gesamten Alltag in der Gruppe am Nachhaltigkeitsprinzip auszurichten.

Der Sozialarbeiter ist stellvertretender Teamleiter der Wohngruppe Aufwind, die bis zu sieben Jungen zwischen 10 und 14 Jahren aufnehmen kann. Hauptziel sei es, diesen sozial adäquates Verhalten zu vermitteln, „damit sie eigenständige, selbstreflektierende Mitglieder der Gesellschaft werden können“, wie David Maus es ausdrückt. Dazu gehören für ihn auch Werte, und ganz klar der Nachhaltigkeitsgedanke, Ressourcen möglichst zu schonen. „Es sind junge Menschen, die noch länger auf diesem Planeten leben werden als wir“, betont er.

Waschbar und plastikfrei

Das beginnt laut David Maus beim umsichtigen Heizen, reicht über energiesparende LED-Beleuchtung bis hin zu Schonern auf Wohnzimmersesseln und Matratzen. Shampoo und Duschgel kaufe man in großen Gebinden, um sie für den Gebrauch in handliche Fläschchen umzufüllen. Recycling-Toilettenpapier ist in der Wohngruppe ebenso selbstverständlich wie die Verwendung von waschbaren Spül- und Putzlappen. Trinkwasser kommt aus der Leitung und wird auf Wunsch aufgesprudelt, Plastikflaschen findet man nirgendwo. Die Nähstube der Stiftung auf dem Campus wird regelmäßig und gerne genutzt.

„Das ist eine grundlegende Lebenseinstellung“, sagt David Maus. Er selbst ist Vegetarier, fährt ein erdgasbetriebenes Auto und benutzt zum Duschen einfach ein Stück Seife. „Weil Anja und ich das selbst leben, können wir das auch glaubhaft vermitteln“, sagt er. Dies kann seine Kollegin bestätigen: „Junge Menschen orientieren sich daran, was ihnen vorgelebt wird“, so ihre Erfahrung.

Junge Menschen orientieren sich daran, was ihnen vorgelebt wird.

Anja Krehl

Und als Hauswirtschafterin agiert Anja Krehl einfach so, wie sie es von zu Hause kennt und bereits von ihren Eltern gelernt hat: dass Müll vermieden und möglichst gar keine Lebensmittel weggeschmissen werden sollten beispielsweise. Sicherlich, meint sie, manches ließe sich in der Gruppe nicht so leicht umsetzen, allein aus Budgetgründen. Biofleisch zum Beispiel koste ja gut und gerne Mal das Dreifache, „das geht so nicht“. Um dennoch ein Zeichen zu setzen, stehe in der Regel jetzt nur noch zwei statt früher drei Mal in der Woche Fleisch auf dem Speiseplan – „und es funktioniert“.

Das alles sei eine bewusste Entscheidung des gesamten Teams im Rahmen der Budget-Möglichkeiten, verdeutlicht Gerlind Walsh. „Man muss sich natürlich damit beschäftigen.“ Walsh ist Fachaufsicht im Fachbereich II, lebt selbst „so nachhaltig wie möglich“, wie sie sagt, und hat großes Interesse am Engagement zugunsten von Umwelt und Klima, nicht nur in Wittlaer. Von ihren aktuell sechs Wohngruppen sei Aufwind jedoch am weitesten. Aber, betont Gerlind Walsh, saisonal hin oder her, „es ist eine Kindergruppe. Da gibt es nicht den ganzen Winter über nur Äpfel und Birnen, und Tomaten gibt es auch im Februar.“

Das sieht David Maus genauso so. „Für eine ausgewogene Ernährung braucht es aber keine Trauben aus Indien oder Avocados aus Peru“, meint er. Fertiggerichte seien ebenso tabu. Wichtig findet er dagegen, „den Jungs zu vermitteln, wie eine echte Erdbeere schmeckt“. Statt Süßigkeiten biete man diesen daher gerne Obst oder Fruchtjoghurt als Alternative an. Aus gutem Grund: Man habe einen Schutzauftrag, macht der Sozialarbeiter deutlich, und gesunde Ernährung habe „eine nachhaltige Wirkung auf die gesundheitliche Entwicklung“.

Auf die Biokiste, die die Gruppe seit rund zwei Jahren bezieht, will Hauswirtschafterin Krehl daher nicht mehr verzichten – und muss sie auch nicht. „Es gibt kaum etwas, was die Jungs nicht essen“, lobt sie die aktuell sechs jungen Bewohner, alle zwischen 12 und 13 Jahre alt. „Selbst wenn etwas drin ist, was wir noch nie hatten, Schwarzer Rettich zum Beispiel, geht der bei uns weg.“ Jeder durfte beim Einzug zudem drei Lebensmittel nennen, die er überhaupt nicht mag. Das hilft. Und Anja Krehl bemüht sich im Zweifel um eine Alternative.

Für Malik beispielsweise gehen Spargel, Paprika und gekochte Tomaten überhaupt nicht, bei Lewis sind es Milchreis, gekochte Kartoffeln und Kartoffelsalat, wie er verrät. Elias mag neben diversen Aufläufen auch keinen Reis, da wird es schon schwieriger. Doch so steht neben der Zucchini-Pfanne mit Fetakäse und Reis für den Zwölfjährigen heute zusätzlich ein kleiner Topf mit Couscous auf dem Mittagstisch – und alle sind glücklich. Dass das so gelingen kann, hat für Fachaufsicht Gerlind Walsh damit zu tun, dass die Jungen in die Erstellung des monatlichen Speiseplans mit einbezogen werden. Und auch in die Zubereitung.

Wöchentlich im Wechsel sind die Bewohner mit Küchendienst dran, unterstützen Anja Krehl in der Küche. Jonas mag das, „besser als Mülldienst“, meint er mit einem Grinsen. Lewis findet das Essen in der Wohngruppe jedenfalls „besser als in der Schule“. Und das, obwohl in der Regel nur zwei Mal im Monat Pommes auf dem Speiseplan stehen, Burger noch seltener. Vollständig darauf verzichten sollen sie ja gar nicht, darin sind sich Anja Krehl und David Maus einig. Es soll einfach etwas Besonders bleiben. Wenn sie dann alle paar Monate mal gemeinsam zu McDonald’s gehen, sei das „ein echtes Highlight“.

 

* Die Namen der Kinder wurden aus datenschutzrechtlichen Gründen geändert.

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