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Noch vor wenigen Monaten, erzählt Linda Henning, habe sich das achtjährige Mädchen, das sie begleitet, kaum fünf Minuten konzentrieren können. „An guten Tagen bleibt sie jetzt eine ganze Schulstunde an einem Thema daran.“ Es sind Fortschritte wie diese, die die 28-Jährige glücklich machen, durch die sie weiß, dass sie den richtigen Job macht. Denn das Mädchen, das sie täglich begleitet, kam mit einer seltenen genetischen Erkrankung zur Welt – und kann vor allem dank ihrer Bemühungen nun auf eine Regelgrundschule in Köln-Gremberghoven gehen. Gemeinsam mit vielen anderen Kindern, ob mit oder ohne Handicap.

Linda Henning, gelernte Alten- und Heilerziehungspflegerin, ist seit rund vier Jahren Inklusionsbegleiterin bei der Graf Recke Stiftung. Es war eine bewusste Entscheidung gegen eine weitere Tätigkeit im Heimbereich, als sie damals der Liebe wegen von Heidelberg wieder zurück ins Rheinland zog und nach einer beruflichen Herausforderung suchte. „Ich wollte raus aus dem Schichtdienst, aber unbedingt mit Menschen arbeiten“, sagt sie. Ihr Antrieb blieb nämlich derselbe: Menschen, die es nicht so leicht haben, das Leben zu verbessern.

Und so reagierte Linda Henning damals auf den Facebook-Aufruf eines Mädchens mit mehrfacher Behinderung, das auf diesem Weg nach einer Begleitung für die Schule suchte. „Ich habe ihr eine E-Mail geschrieben, sie hat geantwortet und das hat gepasst“, erinnert sie sich. Die Mutter der 16-Jährigen, die zwei Jahre zuvor einen Schlaganfall hatte, habe sie dann der Graf Recke Stiftung vorgeschlagen, diese ihr Okay gegeben und „damit hat alles begonnen“, erinnert sich Linda Henning. An der kaufmännischen Berufsschule in Köln-Deutz war sie für das pflegebedürftige Mädchen dann mehrere Monate lang „Hände und Füße“, wie sie es ausdrückt.

Video: „Grundpfeiler der Inklusion“

Bei einem kleinen Jungen, den Linda Henning im Anschluss in der Kita bis zu seinem Schuleintritt betreute, waren ihren Aufgaben andere: Dieser habe Verhaltensausfälligkeiten gezeigt, bei ihm sei eine Distanzstörung diagnostiziert worden. „Seine emotionalen Ausbrüche waren für die anderen Kinder schwer zu verstehen“, sagt die 28-Jährige. Und so habe sie nicht nur darauf geachtet, diese abzufangen. Wichtig sei gewesen, Frühwarnsignale zu erkennen, dass es dazu gar nicht erst kommt. Die Lage hat sich für den Jungen, der bis dahin ohne Begleitung war und kaum Anschluss fand, schnell verbessert. Aber auch für sein Umfeld war es eine Entlastung. Sie habe den anderen das Verhalten des Jungen erklärt, dass er nichts dafür könne. „Kinder sind da oft empfänglicher als Erwachsene“, so ihre Erfahrung.

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Seit dem Sommer 2019 ist Linda Henning noch in anderer Weise gefragt. Die Achtjährige, die sie nun begleitet, hat das Williams-Beuren-Syndrom, was unter anderem deren Entwicklung verzögert. „Meine Aufgabe ist es, sie zu motivieren, ihre Fragen zu beantworten und auch mal den auf sie abgestimmten Lernstoff zu vermitteln“, erklärt Henning. Das Mädchen habe ja durchaus ein Gespür dafür, was ihre Altersgenossen schon können. „Und es erfüllt sie mit Stolz, wenn sie einen neuen Buchstaben kann oder Mama und Papa schreiben. Sie fühlt sich jetzt schon viel mehr zugehörig. Und das ist das Entscheidende.“

Sie fühlt sich jetzt schon viel mehr zugehörig. Und das ist das Entscheidende."

Linda Henning

Gerade in der Zeit des Lockdowns, als sie das Mädchen eins zu eins betreute, habe die Achtjährige große Fortschritte gemacht. Mittlerweile übernehme sie sogar kleinere Aufgaben in der Klasse, etwa beim Tafeldienst. „Ich unterstütze sie dabei, aber möglichst aus dem Hintergrund“, erklärt Linda Henning. Deshalb sei eine Inklusionsbegleitung im Schulalltag so wichtig, meint sie. Dadurch erhielten viele Kinder doch erst die Chance, ein Teil der Gesellschaft zu sein. „Und das ist für mich der Grundpfeiler von Inklusion.“

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