Wie vermittelt man Kindern im Grundschulalter Musik? Vor allem spielerisch, meint Carolina Crespo-Döhler. Die gelernte Musiktherapeutin ist Lehrerin an der Minna-Schule in Düsseldorf-Wittlaer. Ihre Therapeutensicht komme ihr im Unterricht an der Förderschule zugute, sagt sie.
Wenn die jungen Menschen in Carolina Crespo-Döhlers Musikunterricht kommen, finden sie im Musikraum keine Tische, aber viele Instrumente vor. „Der ganze Rahmen macht sie neugierig“, erklärt die Musiklehrerin an der Minna-Schule in Düsseldorf-Wittlaer. Dann dürfen sie erst einmal die Instrumente spielen, ohne dass eine Bewertung stattfindet. „So finden sie einen Zugang dazu“, sagt die gelernte Musiktherapeutin.
In ihrem Unterricht klinge es manchmal nur nach Chaos, sagt Carolina Crespo-Döhler. Aber das ist für sie kein Problem. Vielmehr gehört das Chaos zum Konzept. Denn ihre Schülerinnen und Schüler sollen am Anfang vor allem eines: ausprobieren und teilhaben.
„In meinen Unterricht gibt es wenige Regeln, aber diese sind essenziell“, betont die 41-Jährige: "Wir hören einander zu, wir sind respektvoll gegenüber Lebewesen und Dingen und wir spielen und reden nicht gleichzeitig." Der spielerische Ansatz funktioniere vor allem am Anfang des Unterrichts und bei den Jüngeren, erklärt Carolina Crespo-Döhler. Bei den Älteren gehe es häufig um die Identifikation mit ihrer Musikrichtung und ihren Lieblingsmusikern. „Da gebe ich kleine Arbeitsaufträge, einfach mal ein Plakat dazu zu gestalten, oder: Gib mir mal Infos über deinen Lieblingskünstler – ich bin dafür zu alt, ich kenne den nicht!“
In meinen Unterricht gibt es wenige Regeln. Aber diese sind essenziell.
Musik kann auch uncool sein
Manchmal sind Musikstücke dabei, die wieder pädagogisch bearbeitet werden müssen: „Wir sprechen über nicht altersentsprechende Lieder“, erzählt Crespo-Döhler, die sich auch als Trauma-Musiktherapeutin weitergebildet hat. „Was ist daran cool oder doch eher uncool, oder sogar gefährlich? Würdest du das, was in dem Lied vermittelt wird, auch in deinem Leben machen?“
In der Minna-Schule lernen Kinder mit den Förderschwerpunkten "Emotionale und soziale Entwicklung" im Bereich der Primar- und Orientierungsstufe, also bis zum sechsten Schulbesuchsjahr, sowie auch ältere Schüler dem Förderschwerpunkt "Geistige Entwicklung". Natürlich muss sich die gelernte Musiktherapeutin im Schulunterricht ans Musikcurriculum halten: „Ich vermittle Begriffe: Das ist ein Dur-Akkord, ein Moll-Akkord. Was ist ein Rhythmus, was sind Notenwerte? Wofür sind die da? Was ist ein Grundschlag?“ Aber, lacht Carolina Crespo-Döhler, „zum Glück steht im Curriculum auch das Experimentieren mit Instrumenten“. Und experimentiert wird gern, vor allem mit "pentatonischen Instrumenten". Das sind einfach gestimmte Instrumente mit fünf Basistönen. „Da kommt für alle gleich was Hörbares raus“, verspricht sie.
Die Graf Recke Stiftung ist Trägerin zweier privater Förderschulen in Düsseldorf, Ratingen und Hilden: der Ferdinand-Schule und der Minna-Schule. Die Minna-Schule arbeitet mit den Förderschwerpunkten "Emotionale und soziale Entwicklung" im Bereich der Primar- und Orientierungsstufe (bis 6. Schulbesuchsjahr) sowie dem Förderschwerpunkt "Geistige Entwicklung" (in Verbindung mit dem Förderbedarf Emotionale und soziale Entwicklung, alle Klassenstufen). Weitere Informationen zu den Angeboten gibt es auf der Website.
Im Zusammenspiel sei es dann wie im richtigen Leben, sagt die Musiklehrerin: Der eine prescht vor, der andere will immer nochmal den letzten Ton setzen, ein anderer wiederum mag sich selber gar nicht hören. Auch hier ist die Pädagogin gefragt: „Was kann ich ändern, damit es besser passt?“ Die Schüler, berichtet sie, geben sich auch gegenseitiges Feedback, damit das Zusammenspiel zunehmend besser gelingt.
Seit 2017 arbeitet Carolina Crespo-Döhler in den verschiedenen Schulstellen der Minna-Schule der Graf Recke Stiftung in Wittlaer und Ratingen. „Vorher habe ich in einer Erwachsenenpsychiatrie in Oberhausen gearbeitet, mit Menschen mit Persönlichkeitsstörungen, Suchterkrankungen oder affektiven Störungen wie Depression, Manie et cetera." Nachdem sie Mutter geworden war, habe sie etwas in Wohnortnähe gesucht. "Der Beruf an der Schule, mit Kindern, ist ein Sechser im Lotto für mich!“
Diana Seng sieht das auch so: „Frau Crespo-Döhler erweitert durch ihr musikalisches Repertoire das intensivpädagogische Angebot für unsere Schülerschaft", freut sich die Schulleiterin der Minna-Schule und betont vor allem die „offene und äußerst empathische Art“ der Musiklehrerin. „Frau Crespo-Döhler ist ein echter Zugewinn für unsere Schule!“
Auch als Lehrerin habe sie „die Therapeutenbrille immer fest auf meiner Nase“, betont Crespo-Döhler. „Als Lehrerin muss ich Themen vorgeben und zeigen, wie die Schüler damit weiterarbeiten können. Als Therapeutin sage ich dem Kind: Gib mir etwas und ich folge dir, helfe dir damit umzugehen.“ Dieser therapeutische Ansatz sei bei der Schülerschaft der Schulen der Graf Recke Stiftung auch nicht verkehrt: „Meine Kollegen und ich haben noch mal einen anderen Blick auf unsere Schülerinnen und Schüler als in den Regelschulen.“
„Musikförderung in Anlehnung an die Musiktherapie ist viel mehr, als ein wenig die Instrumente beizubringen“, erläutert Crespo-Döhler weiter. Sie gebe ja keinen Instrumentalunterricht, vielmehr greife sie in Einzel- und Kleingruppen schulische Probleme auf und schaue individuell, was dahinterstecke, um etwa Selbstwahrnehmung, Reflektion und Selbstbewusstsein zu vermitteln.
Dass Musik da besonders gut funktioniert, davon ist die Lehrerin überzeugt, denn: „Musik ist etwas Essenzielles, das wir schon beim Herzschlag der Mutter aufnehmen. Musik drückt so viel aus, ohne Worte benutzen zu müssen. Jeder kennt das, wenn er sein Lieblingslied hört, kennt das, wenn es einen emotional berührt.“
Manche sind so inspiriert, dass sie über den Musikunterricht hinaus ein Instrument spielen wollen. „Einem Schüler, mit dem ich auf der Ukulele gespielt habe, habe ich inzwischen eine besorgt, die spielt er auch zuhause. Er bringt sie ab und zu mit, damit ich sie stimme“, erzählt Carolina Crespo-Döhler. Eine andere Schülerin habe mit dem Klavierspiel begonnen. Für diese Kinder bietet sie dann auch Extrastunden zur Musikförderung an, um sie weiter an die Instrumente heranzuführen – ganz ohne Chaos.